Zur Verbesserung der Qualität psychodiagnostischer Prozeduren und psychologischer Gutachten in unterschiedlichen Rechtsbereichen verweisen wir auf Literaturempfehlungen zur Professionalisierung, Vereinheitlichung und Evidenzbasierung des gutachterlichen Vorgehens. Hierzu zählen:
WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE
Wir verweisen auf folgende Veröffentlichungen zu begutachtungsrelevanten Themen:
ZUSAMMENFASSUNG
Die Studie überprüft die Vorhersageeigenschaften der Validitätsskalen des Minnesota Multiphasic Personality Inventory-2 (MMPI-2; Butcher et al., 2001) und des MMPI-2 Restructured Form (MMPI-2-RF; Ben-Porath & Tellegen, 2008 / 2011) in Bezug auf die Unterscheidung negativ verzerrt dargesteller (aggravierter) und mutmaßlich echter Psychopathologie. Als Kriterium für negativ verzerrte Angaben wurde der Miller Forensic Assessment of Symptoms Test (M-FAST; Miller, 2001) verwendet. Die Stichprobe von N=742 bestand aus Versicherten der öffentlichen Versicherung für Berufsunfähigkeit, denen Anreize für negativ verzerrte Angaben zugeschrieben wurden und die daher ein erhöhtes Risiko für interessensgeleitet verfälschte Angaben aufwiesen.
Die Ergebnisse belegen die Fähigkeit beider Verfahren, anhand der Validitätsskalen zu negativen Antwortverzerrungen die Zugehörigkeit zu einer der beiden Gruppen (echte vs. mutmaßlich vorgetäuschte Psychopathologie) richtig vorherzusagen. Dabei erwiesen sich die Validitätsskalen des MMPI-2-RF als etwas bessere Vorhersageinstrumente in den zugrundegelegten dimensionalen Vorhersagemodellen.Die Studie überprüfte die Fähigkeit der overreporting Validitätsskalen des Minnesota Multiphasic Personality Inventory-2 (MMPI-2; Butcher et al., 2001) und der MMPI-2 Restructured Form (MMPI-2-RF; Ben-Porath & Tellegen, 2008 / 2011) Malingering von Psychopathologien zu detektieren. Erhoben wurde der Miller Forensic Assessment of Symptoms Test (M-FAST; Miller, 2001) in einer Stichprobe von Versicherten der öffentlichen Versicherung für Berufsunfähigkeit (N = 742), die als potenzielle Simulanten betrachtet wurden. Die Ergebnisse unterstützen die Fähigkeit der overreporting Validitätsskalen beider Verfahren den Verdacht auf Simulation von Psychopathologie vorherzusagen, wobei sich die Validitätsskalen des MMPI-2-RF als etwas bessere Vorhersageinstrumente für den Verdacht auf Simulation von Psychopathologie in dimensionalen Vorhersagemodellen und kategorischen Klassifikationsgenauigkeitsanalysen erwiesen.
FORMULIERUNGSVORSCHLAG
Die Validitätsskalen von MMPI-2 und MMPI-2-RF zur Erfassung negativer Antwortverzerrungen (overreporting-Skalen) können, gemessen an einem testpsychologischen Kriterium, als geeignete Instrumente zur befundlichen Sicherung von Aggravations- und Simulationstendenzen verwendet werden (Chmielewski et al., 2017).
LITERATURANGABE
Chmielewski M, Zhu J, Burchett D, Bury AS, Bagby RM (2017). The comparative capacity of the Minnesota Multiphasic Personality Inventory-2 (MMPI-2) and MMPI-2 Restructured Form (MMPI-2-RF) validity scales to detect suspected malingering in a disability claimant sample. Psychological Assessment, 29(2):199-208.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Studie untersucht, inwiefern Validitätsskalen und klinische Skalen des Multiphasic Personality Inventory-2 (MMPI-2; Butcher et al., 2001) das Ergebnis von Performanzvalidierungstests (Tests zur Erfassung der Anstrengungsbereitschaft in kognitiven Leistungstests) bei Personen in zivilrechtlichen Konfliktsituationen um die Anerkennung gesundheitlicher Beeinträchtigungen vorhersagen können.
Hierfür wurde die Klassifikationsbaum-Methode (Optimal Data Analysis: ODA) an einer Stichprobe von N=307 Personen angewandt, die den MMPI-2 und verschiedene kognitive Tests bewältigt hatten. Die Anstrengungsbereitschaft wurde über ODA generierte optimierte lineare Entscheidungsbäume beurteilt, sodass die Teilnehmer in eine Gruppe mit ausreichender Anstrengung (SE) und unzureichender Anstrengung (IE) klassifiziert wurden.
Es zeigte sich, dass die Response Bias Scale (RBS) entscheidend zur Unterscheidung zureichender und unzureichender kognitiver Anstrengung in kognitiven Leistungstests beitrag. Nach Entfernung der RBS aus dem Modell trug die Hysterie-Skala (Hy) am stärksten zur SE-IE –Unterscheidung bei. Die Autorinnen identifizierten drei Klassifikationszweige mit konkreten Cut-off Werten der MMPI-2 Skalen (siehe Abb.1. in der Veröffentlichung): Auf SE deuten 1.) niedriger RBS-Wert (≤16.5) sowie 2.) hoher RBS-Wert (>16,5) in Kombination mit einem niedrigen Hy-Wert (≤79,5) hin. Auf IE deutet ein hoher RBS-Wert (>16.5) in Kombination mit einem hohen Hy-Wert (>79.5) hin.
FORMULIERUNGSVORSCHLAG
Die Response Bias Scale (RBS) und die Hy-Skala können als Indikatoren für die Vorhersage mangelnder Anstrengungsbereitschaft in kognitiven Leistungstests verwendet werden bei Personen in zivilrechtlichen Streitigkeiten (Smart et al., 2008). Die RBS kann auch zur Validierung der Ergebnisse von Performanzvalidierungstests in der Einzelfall-diagnostik genutzt werden (Smart et al., 2008).
LITERATURANGABE
Smart CM, Nelson NW, Sweet JJ, Bryant FB, Berry DT, Granacher RP, Heilbronner RL (2008). Use of MMPI-2 to predict cognitive effort: a hierarchically optimal classification tree analysis. Journal of the International Neuropsychological Society, 14(5):842-52.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Studie untersuchte die Assoziation zwischen Skalen des Minnesota Multiphasic Personality Inventory-2 (MMPI-2; Butcher et al., 2001) und dem Versagen in Performanzvalidierungstests PVT (Test of memory malingering TOMM, Tombaugh 1996; Word memory test WMT, Green 2003).
Untersucht wurden N=127 strafrechtlich Angeklagte sowie N=141 zivilrechtlich Klagende (mit Forderungen zu Schmerzensgeld und Invaliditätsleistungen).
Die Ergebnisse zeigten bei Klägern in zivilrechtlichen Verfahren auffällige Zusammenhänge zwischen schwachen Werten in PVTs und übertriebenen somatischen Beschwerden. Bei Personen in strafrechtlichen Verfahren standen auffällige PVT-Werte mit allgemeiner Übertreibung von Psychopathologie und somatischen Beschwerden im MMPI-2 in Verbindung. Hohe Werte der MMPI-2 Fake Bad Skala (FBS) waren bei beiden Gruppen mit Versagen in PVTs assoziiert. Die MMPI-2 FP-Skala wies nur in der Gruppe der strafrechtlichen Angeklagten, nicht aber bei zivilen Klägern Zusammenhänge zu PVT-Versagen auf.
FORMULIERUNGSVORSCHLAG
Eine höhere Ausprägung übertrieben dargestellter körperlicher Beschwerden erhöht das Risiko für eine unzureichende Anstrengungsbereitschaft in kognitiven Leistungstests.
Die Fake Bad Skala (FBS) kann unabhängig vom rechtlichen Untersuchungskontext zur konvergenten Validierung auffälliger PVT-Testergebnisse in der psychologischen Einzelfalldiagnostik genutzt werden (Wygant et al., 2007).
LITERATURANGABE
Wygant DB, Sellbom M, Ben-Porath YS, Stafford KP, Freeman DB, Heilbronner RL (2007). The relation between symptom validity testing and MMPI-2 scores as a function of forensic evaluation context. Archives of Clinical Neuropsychology, 22(4):489-99.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Studie untersuchte die Fähigkeit verschiedener Validitätsskalen des Minnesota Multiphasic Personality Inventory-2 (MMPI-2; Butcher et al., 2001), vorgetäuschte Major Depression (MD) zu erkennen.
N=23 erfahrene Fachkräfte im Bereich der psychischen Gesundheit füllten den MMPI-2 so aus, als wären sie von MD betroffen. Diese MMPI-2-Protokolle wurden mit den Protokollen psychiatrischer Patient*innen mit diagnostizierter MD verglichen.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Seltenheitsskala F, die FB-Skala (Seltenheitsitems in 2. Testhälfte) und die Dissimulationsskala Ds (Erfassung vorgetäuschter emotionaler Labilität) deutlich zwischen vorgetäuschter und echter MD differenzierten. Die Autor *innen berichten folgende Cut-Off Werte für die Identifikation vorgetäuschter MD (siehe Tabelle 3 in der Veröffentlichung für Klassifikationsraten): F > 80 T-Wert (Hit Rate 85%), FB > 89 T-Wert (Hit Rate 87 %), F+FB >169 T-Wert (Hit Rate 90 %), DS > 23 (Hit Rate 86 %).
FORMULIERUNGSVORSCHLAG
Die MMPI-2 Skalen F, FB sowie DS können bei Verdacht auf eine vorgetäuschte depressive Episode zur Unterscheidung echter und vorgetäuschter Psychopathologie verwendet werden (Bagby et al., 2000).
LITERATURANGABE
Bagby, R. M., Nicholson, R. A., Buis, T., & Bacchiochi, J. R. (2000). Can the MMPI-2 Validity Scales Detect Depression Feigned by Experts?. Assessment, 7(1), 55–62.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Studie untersuchte die Fähigkeit verschiedener Validitätsskalen des Minnesota Multiphasic Personality Inventory-2 (MMPI-2; Butcher et al., 2001), vorgetäuschte Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zu erkennen.
Die MMPI-2 Profile N=64 erwachsener PTBS-Patient*innen eines Behandlungsprogramms für Opfer sexuellen Missbrauchs an Kindern wurden mit den Profilen N=85 erwachsenen College-Studierenden verglichen, die angewiesen und trainiert wurden, Symptome einer PTBS vorzutäuschen.
Eine schrittweise Diskriminanzanalyse identifizierte die MMPI-2 Skalen zu negativen Antwortverzerrungen F(p), F-K und O-S als die Skalen mit den besten Vorhersageeigenschaften in Bezug auf eine vorgetäuschte PTBS. Die Autoren berichten folgende geschlechtsspezifischen Cut-Off Werte mit dem höchsten Diskriminanzpotential für die Vorhersage einer vorgetäuschten PTBS (siehe Tabelle 7 in der Veröffentlichung für Klassifikationsraten): 1) F(p) ≥ 5 (m und w) 2) F-K ≥ 12 (m) und ≥ 12 und 13 (w) 3) O-S ≥ 150 (m) und 180 (w). (Hit Rate 85%), FB > 89 T-Wert (Hit Rate 87 %), F+FB >169 T-Wert (Hit Rate 90 %), DS > 23 (Hit Rate 86 %).
FORMULIERUNGSVORSCHLAG
posttraumatischen Belastungsstörung wirksam zur Unterscheidung zwischen vorgetäuschten und tatsächlichen erfahrenen PTBS-Symptomen verwendet werden (Elhai et al., 2001).
LITERATURANGABE
Elhai, J. D., Gold, S. N., Sellers, A. H., & Dorfman, W. I. (2001). The Detection of Malingered Posttraumatic Stress Disorder with MMPI-2 Fake Bad Indices. Assessment, 8(2), 221–236.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Studie vergleicht die Aufdeckungsraten für mutmaßlich intentional verzerrtes Antworverhalten der mehrdimensionalen Persönlichkeitsfragebögen Minnesota Multiphasic Personality Inventory-2 (MMPI-2; Butcher et al., 1989) und Personality Assessment Inventory (PAI; Morey, 1991) an einer Stichprobe von Veteranen.
N=472 ambulant und stationär behandelte Veterane bearbeiteten beide Instrumente im Rahmen der Routineversorgung. Zur Validitätsbeurteilung wurden die bekannten methodenspezifischen Validierungskennwerte genutzt (MMPI-2: VRIN, TRIN, L, K, F, FB, FP, F-K Index; PAI: INC, INF, PIM, DEF,CDF, NIM, MAL, RDF).
Aufgrund der primären Validitätsindikatoren wurden bei stationär behandelten Patient*innen signifikant weniger PAI-Profile (37%) als MMPI-2-Profile (63%) als ungültig eingestuft. Ähnliche Ergebnisse fanden sich bei ambulant behandelten Patient*innen (21 % ungültige PAI-Profile, 47% ungültige MMPI-2-Profile). Bei Anwendung primärer und ergänzender Validitätskennwerte bliebt dieses Verhältnis weitgehend erhalten, d.h. die PAI-Profile der stationär und ambulant behandelten Patienten wurden seltener als ungültig bewertet als die MMPI-2-Profile.
FORMULIERUNGSVORSCHLAG
Im Vergleich der validierungssensitiven mehrdimensionalen Persönlichkeitsinventare MMPI-2 und PAI ist beim MMPI-2 die Schwelle für die Aufdeckung mutmaßlich intentionaler Antwortverzerrungen niedriger als beim PAI. Die Wahrscheinlichkeit, vorhandene negative Antworttendenzen aufzudecken, ist beim MMPI-2 relativ hoch (Braxton et al. 2007).
LITERATURANGABE
Braxton LE, Calhoun PS, Williams JE, Boggs CD (2007). Validity rates of the Personality Assessment Inventory and the Minnesota Multiphasic Personality Inventory-2 in a VA Medical Center Setting. Journal of Personality Assessment, 88(1):5-15.
LEITLINIEN
Wir verweisen auf folgende Leitlinien zur Qualititätssicherung im
Rahmen der psychologischen Beguacthtung:
Deutsche Gesellschaft für psychologische Begutachtung, DGPsB, Psychologie, Medizin, Recht, Rechtlich, Sachverständige, psychologisch, Einzelfall, psychometrisch, Beschwerdenvalidierung, Gesellschaft, Gericht, Rechtspsychologie, Familienrecht, Verkehrsrecht, Sozialrecht, Strafrecht, Berufsunfähigkeit, Rentenversicherung, Behinderung, Kinder und Jugendliche, Gutachten, Gutachter, Gutachtertätigkeit, Wissenschaftlich, Richtlinien, Einzelfallbegutachtung, Leitlinie, Taxonomie
Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen
Qualitätsanforderungen für psychologische Gutachten der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen
Bundesministerium der Justiz
Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht der Arbeitsgruppe Familienrechtliche Begutachtung des Berufsverbandes deutscher Psychologen
Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen der AWMF